Sowjetunion

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Bis zum ersten Weltkrieg war die Verteidigung der westlichen Landesgrenze Rußlands Aufgabe einer Anzahl von Festungen, die sich unter Ausnutzung der Flüsse Düna, Memel, Bobr, Bug, Narew und Weichsel von Dünaburg bis Iwangorod auf einer fast 500km langen Strecke hinzogen. Der erste Weltkrieg und der sich im Jahre 1920 anschließende Krieg mit Polen entrissen dem neuen Sowjetreich alle diese Waffenplätze.

Unter den schweren wirtschaftlichen Erschütterungen in den 20er Jahren, musste der Gedanke an eine Befestigung der neuen sowjetischen Westgrenze zunächst noch zurücktreten. Das Wenige, was von etwa 1923 ab gebaut wurde, kam den Küstenbefestigungen von Kronstadt und Sewastopol zugute. Im Jahre 1928 begann der erste jener Fünfjahrespläne zu laufen, die stets im engen Zusammenhang mit Wehrwirtschaft und Aufrüstung standen. Im Zusammenhang mit der Verstärkung der Roten Armee erschien auch die Frage einer neuen Landesverteidigung dringlich. Hierbei hatte die ungeschützte Westgrenze mit Polen als Gegner Priorität.

Von den drei möglichen Stoßrichtungen, mit denen die Rote Armee rechnete (Petersburg und Moskau), erschien die südliche, die auf die Ukraine zielte, stets am bedrohlichsten. Dort im Raum von Kiew war schon früher mit einzelnen Befestigungsarbeiten begonnen worden, ebenso an der finnisch-sowjetischen Grenze zum Schutze von Petersburg, das nach dem 1. WK nur noch 50 km von der Grenze entfernt lag.

Es waren die Jahre, in denen der "Maginot-Gedanke" die Welt beherrschte. Auch in der Sowjetunion ging man bei den ersten Erwägungen über die zukünftigen Formen der Befestigungen stark auf französische Anschauungen zurück, doch suchte man auch aus Weltkriegserfahrungen sowie deutschen und belgischen Ansichten das Beste herauszuholen. Von deutschen Befestigungen fanden am meisten die während des Weltkrieges beim Ausbau der Metzer Front angewendeten aufgelockerten Anlagen Beachtung. Grundsätzlich entschied man sich für die Zerlegung der Befestigungen in viele kleine Anlagen, und wenn die Franzosen die große Anzahl der Kampfstände und Werke mit dem Sternengewirr der Milchstraße verglichen, so sprachen die Russen jetzt von einer "pulverisierten Befestigung" (fortifikazionnaja pülj). Der Gedanke der "Befestigten Gebiete", wie sie Frankreich in seinen "régions fortifieés" entwickelt hatte, fand auch in der Sowjetunion Anklang. Allerdings war man nicht für eine durchlaufende Befestigung von der Dichte und schweren Bauart der Maginot-Linie. Die Errichtung derartiger Anlagen hätte Kräfte und Hilfsquellen des Landes überstiegen.

Die Jahre 1931 bis 1934 können als die eigentlichen Baujahre der damaligen sowjetischen Westfront gelten. Von etwa 1934 wurden die Waffen in die Bauwerke hereingebracht und die inneren Einrichtungen vervollständigt. Eigenartigerweise wurden die fertigen Anlagen vielfach vollständig mit Erde zugedeckt; nur die Entlüftungsrohre ragten heraus. Das geschah einmal aus Tarnungsgründen, aber auch, weil man verhindern wollte, dass die unter einer unvorstellbaren Wohnungsnot leidende Bevölkerung die Bauwerke als Unterkunftsräume benutzte.

Im Jahre 1937 sollte das ganze System der Landesverteidigung zum Abschluss gebracht sein. Aufgrund der politischen Säuberung innerhalb der Roten Armee wurde dieses Ziel nicht erreicht. Diesen Säuberungen fielen fast 300 Generale und etwa 20000 Offiziere zum Opfer.

Ab 1938, mit Beginn des spanischen Bürgerkrieges, wurde wieder mit vermehrtem Druck und strafferer Bauführung an den Befestigungen gearbeitet. Die Arbeiten bezogen sich auf Verstärkung und Verdichtung der Anlagen sowie auf den Ausbau in der Tiefe. Auf der ganzen 2000 km langen Front waren die Arbeiten noch in vollem Gange, als sich durch den Polenfeldzug 1939 die Bedingungen wieder vollkommen änderten. Nach der Besetzung Ostpolens durch die Sowjetunion galt es die neue Grenze gegenüber dem deutschen Interessengebiet unverzüglich zu befestigen. Später kamen mit der Besetzung der baltischen Staaten wieder neue Grenzen hinzu, die ebenfalls unverzüglich befestigt wurden. Die Bauten dieses Zeitraumes trugen, soweit sie beendet werden konnten, fast durchweg ein anderes Gepräge als die der alten Befestigungen von 1931 –1934, die allgemein als "Stalin-Linie" bezeichnet wird.

Man bemühte sich die Erfahrungen des deutschen Westfeldzuges durch Truppenübungen in verschiedenen befestigten Gebieten und aus Beschußversuchen auszuwerten. Flankierendes Feuer trat überall in den Vordergrund, auf Tiefe wurde erhöhter Wert gelegt. Als der deutsche Angriff in den frühen Morgenstunden des 22.06.1941 begann, waren die Bauten noch längst nicht überall in voller Kampfstärke fertig.

 

 

Letzter Stand: 07.11.2016