Kornwerderzand

Startseite Festungen Bunker Lexikon Was ist neu? Links Über mich

Im Jahre 1921 entschied die holländische Regierung, mit dem sog. Afsluitdijk (Abschlussdeich) das Ijssel-Meer einzudeichen und vor Sturmfluten zu schützen. Damit konnte aber auch im Falle eines deutschen Angriffs von Nordosten schneller und leichter ein Zugang in die "Festung Holland" erfolgen. Somit wurden beide Enden des Abschlussdeich zwischen 1931-1934 befestigt. Der nördliche Bunkerkomplex entstand bei Kornwerderzand, der südliche Komplex bei Den Oever. Beide Komplexe wurden nach Fertigstellung bewaffnet und mit einer kleinen Einheit als Wache versehen.

"Die Werkgruppe Kornwerderzand bildete zusammen mit der Werkgruppe Den Oever, mit den feldmäßigen Befestigungen bei Breezanddijk und der Wons-Feldstellung die "Befestigung am Abschlussdamm". Sie unterstand nicht einem besonderen Kommandanten, sondern gehörte zur Stellung Den Helder. Aufgabe der Befestigung ist die Verteidigung des Abschlussdammes als dem einzigen Zugang zur "Festung Holland" von Norden. Der Schutz des Dammes mit den Schleusen ist ferner wichtig, weil die Regelung des Wasserstandes in den Überflutungszonen der "Neuen Wasserlinie" wesentlich davon abhängt, dass die Schleusen im Besitz der Verteidiger bleiben. Während die Werkgruppen in schwerer Ausbaustärke schon 1932 fertig gestellt wurden, erfolgte der Bau der Brückenkopfstellung (Wons-Stellung) erst 1939 in feldmäßiger Ausführung.

Die Werkgruppe Kornwerderzand liegt am Nordrand des Dammes beiderseits der Schleusen. Sie ist etwa vier Kilometer vom Festland abgesetzt und dem wirksamen feindlichen Artilleriefeuer sowie dem unmittelbaren Zugriff des Angreifers entzogen. Zur Werkgruppe gehören 12 Einzelanlagen (Schartenstände für Pak und MG), zahlreiche Unterstände für Maschinenanlagen, leichte Flak und deren Gerät sowie einem Beobachtungs- und Scheinwerferstand und einem Sanitätsunterstand. Alle im mittleren bis schweren Ausbau. Die Kampfanlagen bilden zwei Hauptgruppen, von denen die kleinere besonders für die Rückenverteidigung bestimmt ist. Zwischen den Gruppen oder den einzelnen Kampfanlagen besteht keine Hohlgangsverbindung. Die Befehlsübermittlung erfolgt durch Fernsprecher. Beobachtung in allen Kampfanlagen mittels Rundblickfernrohren, in einigen auch Panzerbeobachtungsglocken. Zur Beleuchtung des Vorfeldes dienen zwei Scheinwerfer. Die Besatzung besteht aus sieben Offiziere, 220 Unteroffiziere und Mannschaften. Bewaffnung: vier 5cm Pak, 20 MG, 4 MG für Luftabwehr.

Der Feuerplan der Werkgruppe bezweckt eine Zusammenfassung der Masse der Feuerwaffen auf den Damm in Höhe der Panzersperre. Die MG und die Pak können darüber hinaus innerhalb ihrer Wirkungsreichweite die Annäherung des Gegners auf dem Damm und das Instellungbringen panzerbrechender Waffen verhindern oder wenigsten erschweren.

Feindliche Artillerie auf dem Festland dagegen kann von der Werkgruppe nicht bekämpft werden, da sie über keine weittragende Artillerie unter Panzer verfügt. Zur Nahverteidigung der Werkgruppe nach allen Seiten dienen in der Hauptsache offene, z. T. betonierte Feuerstellungen in unmittelbarer Nähe der Kampfanlagen. In ihnen müssen die Ersatz-MG der Schartenstände oder die in den Mauerscharten befindlichen Waffen eingesetzt werden. In den Kampfanlagen fehlen bauliche Vorkehrungen für die Nahverteidigung. Auf besonderen Schutz der Werkgruppe nach der Wadden-See hin wurde verzichtet. Küstenbatterien auf den westfriesischen Inseln und Minensperren sichern die Durchfahrten von der Nordsee zur Wadden-See.

Die Gefahr einer feindlichen Landung aus der Luft oder mit Wasserfahrzeugen im Rücken der Werkgruppe machte folgende weitere Maßnahme erforderlich, um die Wirkung der ständigen Befestigung zu ergänzen:

bullet

Überwachung des Dammes zwischen den Werkgruppen Kornwerderzand und Den Oever durch motorisierte Streifen

bullet

Sperrung der Strasse durch aufgestellte Betonrohre gegen landende Flugzeuge

bullet

Einsatz eines durch Pak und MG verstärkten mot. Schützenzuges in feldmäßigen Anlagen bei Breezandijk

bullet

Einsatz von drei flachgehenden Kanonbooten zu Sicherungsfahrten auf dem Ijssel-Meer

bullet

Vorbereitungen für einen Gegenstoß von Den Oever aus.

Die beabsichtigte Verminung und Verdrahtung des ganzen Dammes konnte nicht mehr ausgeführt werden.

Die Werkgruppe Kornwerderzand stellt, auf engem Raum zusammengedrängt, ein lohnendes Ziel für Kampf-, Sturzkampfflieger und feuergeleitete Artillerie dar. Der vorgesehene Luftschutz durch MG für Flugabwehr und Fla-MG war ungenügend. Die Flugabwehrwaffen waren überdies bei den beschränkten Raumverhältnissen dem auf die Kampfanlagen gerichteten Feuer ausgesetzt." Quelle: Denkschrift über die Niederländische Landesbefestigung, OKH 1941

Mit Beginn des deutschen Westfeldzuges am 10.5.1940 wurde auch Kornwerderzand alarmiert und stellte Gefechtsbereitschaft her. Die Zivilisten wurde evakuiert und zur Verbesserung des Schussfeldes wurden Gebäude abgetragen bzw. gesprengt. Am 12.05.1940 begannen deutsche Kampfbomber erstmals die Stellungen zu bombardieren, ohne das es zu nennenswerten Schäden kam. Da es zu diesem Zeitpunkt keine Flugabwehr gab, beorderte man am 13. Mai drei 20 mm Oerlikon Maschinenkanonen nach Kornwerderzand, die bei den nächsten Luftangriffen sofort erfolgreich eingriffen. Nachmittags am 13.05. begann die deutsche Artillerie mit dem Wirkungsschiessen. Unterstützt wurde sie dabei auch von herangezogenen 8,8 cm Flak-Geschützen. Nach dem vorbereitenden Artilleriefeuer begannen die Deutschen einen Angriff auf den Bunkerkomplex, der aber im zusammengefassten Feuer aller Waffen der Holländer zusammenbrach.

Am 14.05. begann wieder deutsche Artillerie mit Vorbereitungsfeuer. Jedoch bekam Kornwerderzand diesmal Unterstützung von holländischen Marineeinheiten, die mit schweren Geschützen das Feuer erwiderten. Daraufhin griff ein Verband Ju 88 Bomber die Schiffe wie auch die Stellung erneut an. Die Schiffe zogen sich zurück, aber Kornwerderzand konnte sich immer noch behaupten. Erst mit der holländischen Kapitulation wurde der Bunkerkomplex Kornwerderzand übergeben. Während der deutschen Besatzungszeit wurde Kornwerderzand im Atlantikwall integriert und mit weiteren Betonbunkern versehen. 1945 versuchten kanadische Truppen erst gar nicht den Komplex einzunehmen, sondern warteten bis zur Kapitulation der deutschen Truppen in Holland.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Stellung verlassen. Erst mit Beginn der Berliner Blockade besetzten amerikanische Soldaten die Bunker und verstärkten diese durch eingegrabene Sherman-Panzer. Man befürchtete offenbar einen sowjetischen Angriff auf das westliche Europa. Erst 1960 verließen die US-Truppen Kornwerderzand. Heute wird die Anlage von einem Verein betreut und ist touristisch erschlossen.

 

Quelle: "Denkschrift über die niederländische Landesbefestigung" OKH Gen.St.d.H. 1941

Letzter Stand: 06.11.2016